Montag, 8. März 2010

VOGUE & LITERATUR: Urban Alice

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Was hat diese kleine bezaubernde Dame und das britische Versandhaus ASOS gemeinsam?
Eigentlich sehr wenig - außer, dass diese Lady die neuste Kollektion des Modelabels zu verantworten hat.
Und das, obwohl zwischen diesem Bild und heute 150 Jahre liegen.

Also erst einmal der Reihe nach.

Der 4. Juli 1862 muss ein schöner und heißer Sommertag gewesen sein, sonst hätte sich dieses Mädchen wohl nicht mit ihrem Vater und ihrer Schwester auf dem Weg zu einem Picknick gemacht. Eine ruhige Bootsfahrt auf der Themse vom Heimatort Oxford ins verwunschene Godstow war vielleicht eine malerisch-schöne Angelegenheit - aber dem kleinen, 10-Jährigen Wildfang ein bisschen zu malerisch. Während ihr Vater ruderte, bat sie Charles Lutwidge Dodgson - einen Freund, der die Familie begleitete - um eine Geschichte. Und der erzählte der kleinen Alice Pleasance Lidell ein Märchen, das die Kleine gar nicht mehr aus dem Staunen brachte. Mr. Lidell, überrascht über die Verblüffung seiner sonst so aufbrausenden Tochter, riet ihm: "Schreib das auf!"

Ein guter Rat, denn dieses Märchen ist heute in aller Munde: unter dem Namen Lewis Caroll veröffentlichte Dogson wenig später Alice im Wunderland. Die kleine Alice, die ihn damals um die Geschichte bat, diente als Vorlage für die Protagonistin. Der kleinen, quicklebendigen Dame setze er mit einem Gedicht am Ende des Buches ein Denkmal:

A boat beneath a sunny sky
Lingering onward a dreamily
In an evening of July

Children three that nestle near
Eager eye and willing ear
Pleased a simple table to hear

Long has paled that sunny sky
Echoes fade an memories die
Autumn frosts have slain July

Still she haunts me, phantomwise
Alice moving under skies
Never seen by waking eyes

Children yet, the tale to hear
Eager eye and willing ear
Lovingly shall nestle near

In a Wonderland they lie
Dreaming as the days go by
Dreaming as the summers die

E
ver drifting down the stream
Lingering in the golden dram
Life what is it but a dream?

Jeweils der erste Buchstabe jeder Zeile ergibt einen Namen: Alice Pleasance Lidell. Eine kleine versteckte Huldigung in Form von einem Akrostichon. Übrigens eines von vielen verstecken Hinweisen und Andeutugen. Durch das ganze Buch zieht sich ein Spiel mit Logik und Wörtern. So oft man das Buch auch liest: Immer kommt Neues zum Vorschein. Vielleicht ist das der Grund, warum dieses Märchen auch für "die Großen" so faszinierend ist.

Gehuldigt wurde Alice im Wunderland in allen Formen der Kunst: Musik, Literatur, Film, Malerei - überall wurde die Geschichte des kleinen Mädchens, dass auf der Suche nach einem Hasen in eine andere Welt abtaucht, aufgeriffen. Man denke nur an den Song Down in a Rabbit Hole von Bright Eyes, Das Album Alice von Tom Waits, den Roman Finnegans Wake von James Joyce. In Matrix finden sich zahlreiche Anspielungen auf Alice im Wunderland und Robert de Niro alias Travis Bickle trägt in Scorsese's Taxi Driver das Gedicht Humpty Dumptys vor.

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Zu guter Letzt natürlich die neue Adaption des von mir schwer geliebten und verehrten Tim Burton. (Die ich allerdings noch nicht gesehen habe! Und ihr?)

Und jetzt also auch ASOS. Alice im Wunderland wird zu Alice im Internetversand: Das britische, allseits bekannte Modehaus sprang auf die aktuelle Alice-Welle auf und entwarf eine ganze Kollektion zu Ehren der unfreiwilligen Heldin. Herausgekommen dabei ist eine hübsche und augenzwinkernde Schmuckkollektion, und eine - meine Meinung nach- eine bisschen uninspirierte Reihe von Kleiderstücken und Schuhen, die zwar nicht unbedingt den Rückschluss auf Alice im Wunderland zulassen, aber trotzdem sehr hübsch anzuschauen ist, leider nur bei weitem nicht so schräg, grotesk und wundervoll wie die Kostüme aus dem Film, mit der Kostümbilderin Colleen Atwood wirklich den Vogel abgeschossen hat.

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via Asos

Liebe Alice Lidell, ASOS dankt dir für eine neue Marketingstrategie und ich für ein wunderbares Märchen, dass dir hoffentlich nicht ganz so viel Angst eingejagt hat wie mir, als ich noch klein war.
Und, Achja: Wo finde ich um Himmelwillen den Eingang zum Kaninchenbau?!

3 Kommentare:

  1. unbedingt ansehen! depp ist ein ums andere mal umwerfend, die optik wunderschön märchenhaft und tim burton macht das was er am besten kann: bezaubernd unterhalten. die 3d-technik tut dann ihr übriges. schon lange keinen film mehr gesehen der so schnell vorbei war.

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  2. ich kann anonym leider nicht zustimmen. Hatte mir ein großes Spektakel à la Tim Burton gewünscht, leider ist der Film alles andere als das. (den lieben Herrn Depp fand ich auch nicht besonders, er spielt eben im Grunde immer die selben Rollen)

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  3. klar, depp hat einen hang zu solchen rollen, aber die spielt er doch brilliant (und andere ebenso, z.b. in "dead man" oder "gilbert grape"). der einzige vorwurf dem man depp da wohl machen kann ist der, dass er diese art der rolle regelrecht perfektioniert hat und auf einem konstanten niveau hält - das allerdings ist hoch.
    und der film ist mit sicherheit kein tiefgehendes meisterwerk oder dergleichen, aber ich fand ihn wirklich großartig anzusehen, genauso wie das buch ist er wunderbar übertrieben (und genausowenig wie das buch ein großes spektakel). genau das macht ja "alice im wunderland" letztlich aus, eine wunderbar übertriebene, in sich geschlossene und festgefahrene welt, die wirklich nur auf den ersten blick verrückt ist.
    ganz abgesehen davon: wer heute noch große spektakel erwartet, der muss sich eingestehen, dass den erschaffern und der technik grenzen gesetzt sind.

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