Donnerstag, 28. Januar 2010

KUNST: Eklat #1 - kunsthistorisches Lästern



"So eine dumme Hure, arrogant ohne Ende, die würde doch alles für Geld machen, die ist so hinterhältig und überhaupt ist ihr Mann der hässlichste auf der ganzen Welt!"
klingt nicht besonders nett und ist sowieso auch ein bisschen primitiv - also warum nicht einfach ein Bild malen?

Beleidigen auf Klassizistisch:
Girodet - Madmoiselle Lange als Danae (1799)




Hübsch, nicht?
Das Gemälde von Girodet kann man sich ohneweiteres - mit dem nötigen Kleingeld in Form von mehreren Millionen - ins Wohnzimmer hängen. Eine ansehnliche, unbekleidete Dame, süße kleine Engel, allesamt geschmückt mit Pfauenfedern und Perlen. Sieht doch ganz gut aus. Dabei ist jeder Zentimeter der Leinwand eine einzige Beleidigung.
Nur gut, dass man auf den ersten Blick nicht feststellen kann, dass es sich hierbei um einen der größten Skandale des Klassizismus handelt: Hier wird so richtig fies gelästert.
Wer heute sich das Maul zerreissen will, macht das am liebsten im Internet. Gerne in Form von Kommentaren und Gästebucheinträgen. Richtig spannend wird es doch erst, wenn man Beleidigungen in den öffentlichen Raum stellt, da kann der Betroffene - ganz zufällig - darauf stoßen, und alle anderen wissen auch gleich Bescheid.

Viel stilvoller und vorallem viel subtiler haben es die Franzosen im 18. Jahrhudert gelöst. Madmoiselle Lange hat dies wohl am deutlichsten erfahren.

Die hübsche, erfolgreiche Schauspielerinnen war Ende des 18.Jahrhundert einer der schönen, erfolgreichen Pariserinnen, die sich gerne in intelektuellen Kreisen herumtrieb, in den gängigen Salons über Kunst diskutierte und sich gerne als ein Teil der Szene sah. Damit war sie sehr erfolgreich, bis sie Bekanntschaft mit dem erfolgreichen, jungen Maler Girodet machte. Ihm, als Schüler von David, war praktisch eine große Karriere in die Wiege gelegt worden.
"Mal mich als Venus", bat sie den gerade mal 23-jährigen Künstler. Der nahm den Auftrag gerne an - und lachte sich dabei heimlich ins Fäustchen. Sich selbst als Liebesgöttin dargestellt sehen zu wollen, das war - bei allem Respekt - dann doch etwas überheblich.
Gesagt, getan. Girodet malte Madmoiselle Lange als Liebesgöttin und schickte ihr das Bild zu. Kommentarlos erreichte es den Künstler wenige Tage später per Post: Madmoiselle Lange hatte es wutschnaubend zurückgesendet.



Girodet: Madmoiselle Lange als Venus (1799)


Was ihr so massiv misfiel, war nicht die freizügige Darstellung - damit musste sie als Verkörperung der Venus rechnen: In 2000 Jahren Kunsthistorik wurde nicht einmal Venus bekleidet dargestellt. Viel mehr war die Perlenkette und der Spiegel Grund ihres Wutausbruchs: Perlen, das stand jeher für den Schmuck der Dirnen, der verzückt vedrehte Kopf in Richtung Spiegel thematisierte geradezu plakativ ihre Selbstverliebtheit.
Girodet kommentierte diese Handlung mit nicht einem schlechten Wort. postwenden machte er sich an die Arbeit für ein neues Werk. Abermals sollte Madmoiselle Lange Hauptigur sein. Allerdings sah er nicht im Gernigsten ein, ihre ein neues, gefälligeres Werk zu erschaffen.
Als Venus gefiel sie sich nicht. Warum dann nicht einfach sie in die Rolle einer neuen mythologischen Figur stecken?
Girodet malte Madmoiselle Lange als Danae.
Und Danae war das Sinnbild der Prostitution: Sie ließ sich von Zeus schwängern - aber erst, nachdem dieser ordentlich Goldstücke auf sie herunter regnen ließ. Damit nicht genug: Neben ihr positionierte er eine tote Turteltaube, als Verrat an der Liebe. Der abgeschlagene Männerkopf - seit Judith und Holoferenes oder die mörderische Salome - ein Sinnbild der trügerischen Falschheit. Pfauenfedern für die Eitelkeit, mit den Perlen am Fuß beschimpft er sie abermals als Hure. Auch den Spiegel brachte Girodet an, doch diesmal ist Madmoiselle Lange von dem Geldregen so verzückt, dass sie nicht mal dazukommt, einen Blick hinein zu werfen.
Als wäre das noch nicht genug, wird auch gleich der Ehemann der Schauspielerin ordentlich vorgeführt: Als alter, lüsternder, dümmlicher Truthahn kommt dieser alles andere als gut weg.

So schön, so gut. Aber die ganzen Lästerreien sind doch eigentlich auch irgendwie nutzlos, wenn nicht wenigstens das halbe Umfeld der betreffenden Person davon Wind bekommt. Also stellte es Girodet im großen Salon von 1799 aus, und betitelte es - damit es auch ja jeder verstand - mit "Madmoiselle Lange als Danae". Die konnte gleich neben dem Gemälde ihre Schauspielkarriere an den Nagel hängen: Sie bekam nie wieder eine Rolle.
Und das, obwohl Girodet nicht ein böses Wort jemals über sie verloren hatte. Gelästert hatte er, ja - aber verdammt stilvoll.

4 Kommentare:

  1. Danke, das war informativ und unterhaltsam.

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  2. hey rike!

    Rembrandt hat Venus bekleidet gemalt. siehe: venus und amor.

    anyway. keep going.

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  3. Lieber Jonathan,

    Richtig, ich dachte dabei nicht an Rembrandt! Mythologische Darstellung sind bei ihm eher selten. Allerdings: Rembrandt stellt in "Venus und Amor" sehr deutlich seine Frau Saskia und die gemeinsame Tochter da. Teilweise wird es auch so betitelt. Es wäre ein Skandal gewesen, die eigene Frau - die deutlich zu erkennen ist, man kannte ihr Abbild schon von vorrausgegangen Werken - nackt zu malen. Entblöste Darstellungen waren bis in den Klassizismus nur mythologischen Figuren vorbehalten. Aber Danke für dein Input! Wäre sehr interessant, da mal nachzuforschen, wie die Darstellung damals aufgenommen wurde.

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  4. naja... so richtig mega interessant wäre das nicht ;)

    trotzdem witziger artikel. ich freue mich auf den nächsten kunst-beitrag. am besten einer in dem das wort kunst in frage gestellt wird, wegen seiner absoluten nutzlosigkeit und elitären art. das wäre wundervoll.

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